Wenn Sie die Produktion eines wirklich ausgezeichneten Produkts ernst nehmen, stehen Sie zwei Problemen gegenüber:
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Wie können Sie feststellen, wann das Produkt gut genug ist?
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Wenn das Produkt noch nicht gut genug ist, wie stellen Sie sicher, dass die beteiligten Stakeholder darüber
informiert werden?
Die erste Frage lässt sich mit dem Release des Produkts beantworten. Die Antwort auf die zweite Frage hilft Ihnen zu
verhindern, ein schlechtes Produkt aus der Hand zu geben.
Sie können denken "Ich möchte nicht nur ein mittelmäßiges Produkt liefern, ich möchte ein großartiges Produkt
liefern!". Lassen Sie uns das untersuchen. Was passiert, wenn Sie Ihren Kollegen, Managern oder Investoren mitteilen,
dass Sie hohe Qualitätsstandards haben und ein großartiges Produkt liefern möchten? In einem frühen Stadium des
Projektzyklus werden sie wahrscheinlich nicken und lächeln. Jeder mag Qualität. Später im Projektzyklus stehen Sie
unter dem enormen Druck, das Projekt fertig stellen zu müssen. Ein großartiges Produkt zu erstellen, kann für Sie
bedeuten, dass Sie ausführliche Tests durchführen, viele Probleme beheben (auch kleinere), Features hinzufügen oder
sogar große Teile des Codes wegwerfen und neu schreiben müssen. Außerdem werden Sie viele Diskussionen über die
unterschiedlichen Auffassungen über gute Qualität führen müssen. Großartigkeit ist harte Arbeit. Perfektion ist noch
härter! Am Ende werden die Personen, die für das Management des Projekts verantwortlich sind, zu Ihnen kommen und etwas
sagen wie "Perfektion ist zwar schön, aber wir müssen pragmatisch sein. Wir führen ein Geschäft. Qualität ist gut, aber
nicht zu jedem Preis. Sie wissen, jede Software hat Fehler."
Großartigkeit kann ein motivierendes Ziel sein. Sie appelliert an den Stolz auf Ihre Arbeit. Allerdings werden Sie
Probleme kommen, Ihren Weg zur Perfektion zu rechtfertigen, wenn Sie der Auffassung sind "Qualität ist gut, aber mehr
Qualität ist besser". Zum Einen könnten Sie eine solche Aussage eher als Qualitätsfanatiker als einen besonnenen Denker
erscheinen lassen. Zum Anderen lässt diese Aussage Kosten völlig außen vor. Ein BMW ist ein hübsches Auto, aber es
kostet erheblich mehr als ein Ford. Ein Ford bringt Ihnen möglicherweise nicht das ultimative Fahrerlebnis, hat aber
ein gutes Preis/Leistungs-Verhältnis. Wenn die Kosten außen vor bleiben, ignoriert das Argument mehr ist
besser auch verminderte Erträge. Je besser Ihr Produkt ist, desto schwerer wird es, weitere Verbesserungen zu
rechtfertigen. Während Sie daran arbeiten, einen Goldrahmen um einen Teil eines Produkts zu ziehen, müssen Sie
zwangsläufig andere Aspekte des Produkts ignorieren oder sogar potenzielle Chancen, die ein anderes Projekt bietet,
außer Acht lassen. Das Unternehmen muss jeden Tag Entscheidungen bezüglich des besten Einsatzes seiner Ressourcen
treffen. Es gibt neben Qualität auch noch andere Faktoren, die berücksichtigt werden müssen.
Das Qualitätskonzept gut genug ist paradoxerweise ein effektiveres Argument als mehr ist
besser, da es ein Ziel darstellt, dass erreichbar oder nicht erreichbar ist und damit zum De-Facto-Argument für
das Abbrechen oder erneute Auflegen des Projekts wird.
Die meisten Unternehmen wenden beim Nachdenken über ihre Produkte das Qualitätskonzept "gut genug" in irgendeiner Form
an. Die einzigen, die dies nicht tun, sind Unternehmen, die glauben, dass sie Perfektion bereits erreicht haben, da
ihnen die Vorstellungskraft und das Know-how fehlt zu erkennen, wie sie ihre Produkte verbessern können.
Im Folgenden werden einige Modelle des Qualitätskonzepts gut genug beschrieben, die ausprobiert wurden.
Einige sind je nach Situation effektiver als andere:
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Gar nicht so schlecht ("wir haben immer noch eine Chance"): Unsere Qualität muss nur so gut sein,
dass wir im Geschäft bleiben können. Machen wir das Produkt so gut, dass uns niemand verklagen kann.
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Positive Unfehlbarkeit ("alles, was wir tun, ist gut"): Unsere Organisation ist die beste der Welt.
Weil wir so gut sind, ist automatisch alles, was wir tun, gut. Den Erfolg im Kopf haben und nicht über Versagen
nachdenken, weil "negatives" Denken der Wegbereiter für schlechte Qualität ist.
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Rechtschaffene Erschöpfung ("Perfektion oder Pleite") - Ein Produkt ist niemals gut genug. Es ist der
Ersatz, der zählt. Der einzige Messgrad für "gut genug" ist unsere völlige Erschöpfung. Geschäftliche Aspekte gehen
uns nichts an. Wir tun alles, was in unserer Macht steht, um das Produkt perfekt zu machen. Da unsere
Verbesserungsbemühungen kein Ende nehmen, muss jemand kommen und uns das Produkt aus den Händen reißen, wenn er es
haben will. In diesem Fall muss er die Verantwortung für jegliche Qualitätsprobleme übernehmen und nicht wir.
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Der Kunde hat immer Recht ("Kunde scheint das Produkt zu mögen"): Wenn Kunden das Produkt annehmen,
muss es gut genug sein. Natürlich kann man es nicht immer allen Recht machen. Wenn ein (potenzieller) Kunde das
Produkt nicht mag, muss er es uns wissen lassen. Wie können keine Gedanken lesen.
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Definierter Prozess ("wir halten uns an einen guten Prozess"): Qualität ist das Ergebnis des
Prozesses, den wir für die Herstellung des Prozesses verwenden. Wir haben unseren Prozess definiert und wir denken,
dass es ein guter Prozess ist. Solange wir dem Prozess folgen, ist das Ergebnis deshalb zwangsläufig ein gutes
Produkt.
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Statische Anforderungen ("wird erfüllen die Anforderungen"): Wir haben Qualität anhand von
objektiven, quantifizierbaren, unumstrittenen Zielen definiert. Wenn wird diese Ziele erreichen, haben wir ein
Produkt, das gut genug ist, egal welche anderen subjektiven, nicht quantifizierbaren, umstrittenen Ziele
vorgeschlagen werden.
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Verantwortlichkeit ("wir erfüllen unsere Versprechen"): Qualität wird vertraglich definiert. Wir
versprechen, bestimmte Dinge zu tun und bestimmte Ziele zu erreichen. Wenn wir unseren Vertrag erfüllen, ist das
gut genug.
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Befürworten ("wir betreiben jeden angemessenen Aufwand"): Wir befürworten Güte. Während des gesamten
Projekts sind wir bemüht, Probleme zu vermeiden und die Probleme, die wir nicht verhindern können, zu finden und zu
beheben. Wenn wir dem Grundsatz der Gütetreue folgen, ist das gut genug.
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Dynamische Abwägungen ("wird wägen viele Faktoren gegeneinander ab"): Im Hinblick auf unseren Auftrag
und die aktuelle Situation ist ein Produkt gut genug, wenn es ausreichend Vorzüge und keine kritischen Probleme
aufweist, die Vorzüge im Vergleich mit den nicht kritischen Problemen überwiegen und es mehr schaden als nützen
würde, weitere Verbesserungen vorzunehmen.
Ob Sie ein Produkt mit einer sehr viel höheren Qualität für denselben Preis erstellen können, hängt von einer Vielzahl
von Faktoren ab, z. B. Prozess, Know-how, Technologie, Tools, Umgebung und Kultur. Je testfähiger und wartungsfähiger
ein Produkt ist, desto weniger Kosten fallen für Verbesserungen und andere erforderliche Aktivitäten an, die mit einer
schlechten Qualität in Zusammenhang stehen, wie z. B. Unterstützung und Aufwand beim Kunden.
Qualitätskosten sind ein komplexes Thema, und es lassen sich nur schwer generelle Aussagen treffen. Mit Bestimmtheit
lässt sich jedoch sagen, dass Sie immer mehr Zeit für bessere Tests, für die Fehlerbehandlung und für das Beheben und
Umschreiben jedes Teils des Produkts investieren könnten. Egal, wie gut Sie sind, diese Aufgaben erzeugen Kosten. Wenn
Sie sich nicht vorstellen können, dass noch weitere Verbesserung vorgenommen werden könnten, ist es wahrscheinlicher,
dass Sie die Grenzen Ihrer Vorstellungskraft erreicht haben und nicht die Grenzen der Qualität.
In der Softwarebranche steht bei dem Qualitätskonzept "Gut genug" ein bestimmter Kostenfaktor im Vordergrund, nämlich
die Kosten, die entstehen, wenn das Produkt nicht früh genug auf den Markt gebracht wird. Falls wird uns nicht
der Herausforderung stellen, arbeiten das unberechenbare Marktfenster oder externe Terminvorgaben gegen uns. Deshalb
bricht in vielen Projekten zum Ende hin hektische Betriebsamkeit aus. Wenn Sie wissen möchten, was eine Organisation
wirklich für genug hält und wie gut sie darauf vorbereitet ist, schauen Sie sich die letzten drei Tage eines
sechsmonatigen Softwareprojekts an. Sehen Sie sich an, was passiert, wenn am letzten Tag ein neues Problem gemeldet
wird.
Es kann verführerisch sein, Qualität auf eine Zahl zu reduzieren und dann einen Schwellenwert zu setzen, der ein
Messwert für eine Qualität darstellt, die gut genug ist. Dies ist jedoch ein Problem, weil Sie nur Faktoren messen
können, die sich auf Qualität beziehen. Qualität an sich lässt sich nicht messen. Dies liegt zum Teil daran,
dass das Wort "Qualität" lediglich eine Bezeichnung für eine Beziehung zwischen einer Person und einer Sache ist.
"Dieses Produkt ist qualitativ hochwertig" ist lediglich eine andere Formulierung für "Jemand schätzt dieses Produkt".
Es ist eine Aussage über das Produkt, aber auch eine Aussage über die Personen und den Kontext. Selbst wenn das Produkt
dasselbe bleibt, ändern sich Personen und Situationen. Deshalb kann es keine einzelne, statische und wahre
Beurteilung von Qualität geben.
Sie können sich einer Vielzahl von Messungen bedienen, um ein Gefühl für Qualität zu bekommen, auch wenn Sie die
Qualität selbst nicht vollständig und objektiv messen können. Und selbst dann erfordert die Beantwortung der Frage,
welche Qualität genug ist, eine feinfühlige Beurteilung. Sie können der Tatsache nicht entkommen, dass letztendlich
Menschen entscheiden und eine Beurteilung vornehmen. Für ein einfaches Produkt kann diese Beurteilung einfach sein. Bei
komplexen Produkten, bei denen viel auf dem Spiel steht, ist die Beurteilung sehr schwierig.
Für die Beurteilung der Produktqualität stehen die folgenden Arten von Informationen für die meisten
RUP-Arbeitsergebnisse zur Verfügung:
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Richtlinien und Prüflisten für Arbeitsergebnisse: Informationen zur Entwicklung, Bewertung und Verwendung des
Arbeitsergebnisses.
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Vorlagen: "Modelle" oder Prototypen des Arbeitsergebnisses, die Struktur und Anleitung für Inhalt sind.
Weitere Informationen hierzu finden Sie in Technik:
Qualität messen und Konzept: Artefakt, Artefaktrichtlinien und Prüfpunkte.
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